Das
Pasigrafiesystem von Karl Haag
Auf dieser Seite möchte ich
ein zweites System einer Symbolsprache und
-schrift vorstellen. Karl Haag hat
dieses System entwickelt. Es gibt eine
Arbeit über ihn von Gerd Simon
unter Mitwirkung von Angelina Bordisch, Melanie Großhans, Ines Klaiber,
Gabriele
Scheiner, Ulrich Schermaul, Mario Schulz, Rebecca Schumacher, Ursula
Strohmaier
und Michael J. H. Zimmermann: "
Der „halbverrückte“ Pionier
mit Chronologie Haag, Carl (=Karl)". Ich gebe hier
nur einige Stellen daraus wieder,
die sich auf seine Pasigraphie beziehen.
"Carl Haag (1860-1946) war ein humboldtianisch
allgemeingebildeter Gelehrter, Erfinder,
Maler und Dichter, überdies ein früher Wandervogel. Heute
ist er nahezu vergessen.
Über seinen Geburtsort Schwenningen hinaus bekannt und ein Begriff sein
dürfte er nur
noch einigen älteren Dialektologen. Als Gelehrter war Haag vorwiegend
Sprachwissenschaftler.
Nach eigenen Aussagen sprach er über dreißig Sprachen; darunter auch
zahlreiche außereuropäische
Sprachen. Als Sprachwissenschaftler war er nicht nur Dialektologe,
sondern auch
Schriftwissenschaftler und Sprachphilosoph."
"Darüber hinaus erfand Haag eine Pasigraphie (Weltschrift). Die
Grundidee dazu dürfte ihm
auf seinen Reisen in Ostasien gekommen sein. Von den dort verbreiteten
Bedeutungsschriften
mit Tausenden von verschiedenen Schriftzeichen, die vor allem auf der
altchinesischen
Schrift (wényán) beruhen
, unterscheidet sich Haags Schrift durch Vereinfachungen, die
hauptsächlich auf einer semantischen Dekomposition aufbauen, wie wir
sie seit Nida und Alinei
im modernen Strukturalismus kennen
. Es ist auch denkbar, dass Haag die Unterscheidung
Logographie vs. Phonographie in den Historias naturales des spanischen
Siglo de Oro (16.-17.
Jh) kannte, worauf mich Franz-Josef Klein aufmerksam macht."
"Haag nimmt in seiner ersten Schrift, in der er seine Pasigraphie
vorstellt, an keiner Stelle auf
das 1887 von dem jüdischen Augenarzt Samenhof veröffentlichte und 1905
auf der ersten
Esperanto-Tagung in Boulogne als funktionierend erwiesene Esperanto
Bezug. Die Struktur
seiner Pasigraphie lässt sich aber mit keiner anderen lebenden Sprache
mehr und leichter vereinbaren
als mit dem Esperanto.
Seine Weltschrift hinterlässt den Eindruck, als sei Haag Kosmopolit.
Aber ähnlich wie bei
Humboldt sind bei ihm offenkundig Internationalismus und Nationalismus
problemlos vereinbar.
Nationalistisch ist v. a. sein Engagement in Sachen Sprachpflege, v. a.
im Sprachverein
. Zu kaum einer anderen Zeitschrift als der des 1886 in Dresden
gegründeten allgemeinen
deutschen Sprachvereins, die sich von 1921 ab >Muttersprache<
nennt, hat Haag so viele Artikel
publiziert. 1933 war Haag bereits 73 Jahre alt. Zu Hitler und den
Nationalsozialisten hat
sich Haag anscheinend nie schriftlich geäußert. Immerhin geht er
gelegentlich auf die Frage
des Verhältnisses von Sprache und Rasse ein. Ob das mehr als eine
Liebäugelei war, die zu
Beginn des Dritten Reiches einsetzt, kann man bezweifeln. Urteile, wie
das, dass das Hochdeutsche sich an die Spitze der Lautentwicklung
gesetzt habe, an deren Ende das Semitische
stehe, sind beängstigend.
Haag präsentierte seine Weltschrift ohne jegliche Polemik gegen die in
Europa dominierenden
Lautschriften1
. Der Vorteil der Lautschriften besteht zweifellos darin, dass ihr
Zeicheninventar
sehr gering und also leicht und schnell erlernbar ist. Ihr Nachteil ist
ihre Bindung an eine
der Tausenden von Sprachen, die auf der Welt gesprochen werden, und
also die Beschränktheit
ihrer Geltung auf die Reichweite einer Sprache. Weltgeltung hat eine
Sprache nie erreicht.
Ins Visier nahmen das immer wieder politisch oder ökonomisch Mächtige,
v.a. im
Zeitalter des Kolonialismus. Bei Esperantisten war diese Kombination
von Sprache und
Macht von Anfang an verpönt. Das Esperanto war immer nur als
Welthilfssprache und Zweitsprache
gedacht. Bedeutungsschriften haben den Nachteil des meist riesigen
Zeicheninventars. Sie zu erlernen,
bedarf weitaus mehr Zeit. In vielen Völkern blieb es daher einer
höheren Schicht von Beamten
und Priestern vorbehalten, sie sich anzueignen. Der Vorteil der
Bedeutungsschriften besteht
darin, dass sie tendenziell von jeder Sprache aus verstanden werden
können. Sie sind
also tendenziell Weltschriften.
"
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