Als Ostwald die Gelegenheit bekam, die Cusanische Himmelskugel zu untersuchen,bemerkte er im Inneren einen Leimtropfen,dem die Jahrhunderte offenbar nichts anhaben konnten. Er stellte fest, das Leim unter günstigen trockenen Bedingungen mechanisch sehr widerstandsfähig ist und weder schimmelt noch fault. Ihm war auch bekannt, daß die damaligen Fotofilter durch Aufgießen farbiger Gelatine (Leim) auf Glasplatten und nachfolgendes Verkitten der Gläser mit Kanadabalsam hergestellt wurden. In Abwandlung dieses Verfahrens entstand die Idee, farbige Bilder auf Glas, ähnlich den bunten Kirchenfenstern, herzustellen. Das Verfahren nennt sich Kollonmalerei. Derzeit ist die Herstellung von Fensterbildern mit transparenten Acrylfarben immer noch angesagt. Auf Folie gezeichnet und mit Farbe gefüllt kann das Bild nach dem Trocknen abgezogen und am Fenster klebend befestigt werden. Die Kollonmalerei ist sozusagen ein Vorläufer dieser Acrylfarbentechnik. Es muß allerdings gesagt werden, daß die Herstellung eines Kollonbildes um einiges komplizierter und aufwendiger ist. Denn es gibt heute keine fertigen Farben, alles muß selbst besorgt und gemischt werden. Der Aufwand, der betrieben werden muß, ist aber im fertigen Bild zu sehen. Es sind tiefe satte Farben bei völliger Durchsichtigkeit möglich, als wenn Farbglas verwendet worden wäre. Durch die Erprobung der Farbstoffe ist auch eine Lichtechtheit gegeben,sodaß das Bild viele Jahre am Fenster hängen kann. Wer die Acrylfensterbilder beobachtet, wird auch nach einer gewissen Zeit Farbänderungen feststellen. Nachfolgend beschreibe ich das Kollonverfahren, wie ich es etwa 1981 in Verbindung und Absprache mit Frau Gretel Brauer, der Enkelin Ostwalds, erarbeitet habe. Es folgt ein Beispielbild von 1981 mit Ostermotiv:
Es
wurde nicht mit einer zweiten Glasplatte verkittet und es ist eines der
ersten Bilder dieser Art.
Zu Ostwalds Zeiten ist in seinem Manufakturbetrieb ein Malkasten für die Kollonmalerei hergestellt worden. Davon ist allerdings nichts mehr erhalten als die Anleitung, die ich hier einfüge, um schon einen Eindruck von der Technik zu bieten:
1. Das Beizen
Auf die gereinigte Glastafel werden einige Tropfen "Beize" gegossen,
die man mit einem Läppchen oder Bausch so verreibt, daß keine Stelle
ungebeizt bleibt. Die Fläche trocknet sehr bald.
2. Der Unterguß
Die Flasche mit "Unterguß" wird in warmes Wasser von rund 50°, so heiß
man es eben mit der Hand vertragen kann, gestellt, bis der Inhalt
geschmolzen ist. Inzwischen hat man eine größere Tafel aus Glas, Marmor
usw. mit ebener Fläche mittels einer Wasserwaage ausgerichtet, die als
Träger für die zu bemalende Glastafel dient. Man gibt von dem Unterguß
eine genügende Menge (rund 3 ml auf 100 cm²) auf die Bildtafel, breitet
die Flüssigkeit mit einem rechtwinklig gebogenen Stäbchen sorgfältig
aus und läßt die Tafel liegen, bis der Überzug erstarrt ist; dann wird
sie zum Trocknen fortgestellt.
Die überzogenen Glastafeln halten sich unbegrenzt lange Zeit.
3. Der Umriß
Das Bild muß auf Papier gezeichnet und in seinen Umrissen wie Farben
genau festgestellt sein. Man legt die Glastafel (Unterguß nach oben)
darauf und zeichnet die Umrisse mit der gläsernen Zeichenfeder, die man
mit Umrißfarbe gefüllt hat, sorgfältig nach, so daß im allgemeinen jede
Farbe ihr begrenztes Feld bekommt. Statt mit der Glasfeder kann man mit
dem Pinsel,der Schreibfeder oder sonst einem geeignetem Gerät arbeiten.
Die Farbe trocknet sehr schnell. Das Gerät wird hernach mit
Brennspiritus gereinigt, der die Rückstände auflöst.
4. Das Malen
Nun wird die Tafel wieder auf die ausgerichtete Unterlage gebracht.
Durch Einstellen in heißes Wasser verflüssigt man die Farben, welche
man anzuwenden gedenkt und bringt sie mittels Tropfröhrchen mit
Gummikappe an ihre Stelle. Die genaue Ausbreitung und Heranführung bis
an die Umrisse geschieht mit einem kleinen Pinsel. Man bringt zuerst
weniger Farbe auf, als nötig, weil dann ein Oberfließen der Umrisse
leichter vermieden wird und ergänzt hernach den Auftrag aus dem
Tropfröhrchen. Die Schichthöhe von einem Millimeter ergibt gesättigte
Farben; sie breiten sich von selbst gleichförmig aus.
Sollen 2 angrenzende Felder verschiedene Farben erhalten, so läßt man
nach dem Auftragen der ersten mindestens eine Viertelstunde vergehen,
um ein Ineinanderfließen zu vermeiden. - Die Farben faulen und
schimmeln nie.
5. Das Mischen
Da alle reinen Farben des Farbenkreises vorhanden sind, so ist ein
Mischen im Allgemeinen nicht nötig. Nur wenn man trübe Farben braucht
(z.B. zu Hintergründen), füllt man von der reinen flüssigen Buntfarbe
soviel ab, als man zu verbrauchen gedenkt (1 Kubikzentimeter auf 100
Quadratzentimeter) und fügt vorsichtig flüssiges Schwarz zu, bis die
gewünschte Trübung erreicht ist, Helle Färbungen erzielt man durch
dünneren Auftrag mit dem Pinsel oder durch Mischen mit "Weiß". Auf die
trockene Schicht kann man ohne Nachteil neue Farbe aufbringen.
6. Das Fertigmachen
Das ausgeführte Bild bleibt bis zum vollständigen Erstarren der Farbe
waagerecht liegen und kann dann zum Trocknen fortgelegt werden, das man
durch Luftzug beschleunigen darf, aber nicht durch Erwärmen. Die
trockene Schicht ist hornartig hart, sehr unempfindlich gegen
mechanische Angriffe, wohl aber empfindlich gegen Wasser. Man kann sie
zum Schutz mit irgend einem Lack (z.B. Zaponlack) überziehen. Durch
Aufkitten einer zweiten Glasplatte mit durchsichtigem Harz, wie bei
einem mikroskopischen Präparat kann man das Bild völlig sichern.
Ähnlich wirkt ein aufgekittetes Blatt Zelluloid. Die Farben sind
hervorragend lichtecht. Mißlungene Tafeln legt man über Nacht in Wasser
und kann dann die gequollene Schicht leicht mit heißem Wasser abwaschen.
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Zur Zeit bin ich nicht in der Lage, die Vorgehensweise, Rezepte usw.
ausführlich in dieser Form weiter zu veröffentlichen und habe mich dazu
entschlossen, eine Abfolge von Seiten meines Laborbuches aus der
damaligen Zeit in gescannter Form anzufügen. Gewisse Dinge
wiederholen sich dadurch.